Schießen
Peng.
Kal.: 16/70. Sauer
& Sohn. Eine Doppelflinte, Großvaters. Jetzt in meinen Händen,
leider nicht in meinem Besitz. Noch gehört sie Vater, der dieses
Kunstwerk aus Holz und Metall bald aber wird abgeben müssen. Der Körper
ist ruiniert. Zu marode um in kalten Nächten auf Wildschweine
anzusitzen. Mir fehlte jahrelang die Motivation einen Jagdschein zu
machen, nun fehlt mir das Geld und so wird die Büchse unweigerlich den
Eigentümer wechseln und aus unserem Familienbesitz verschwinden. Schade,
dass du dich nie für solche Sachen interessiert hast, sagt Vater.
Schade, dass du Alkoholiker bist, denke ich. Fast zart erscheinen mir
die Wildgravuren auf dem Gewehrlauf. Der Schaft aus dunklem Nussholz,
das mich an Gedichte pubertierender Verliebte erinnert. Hiermit habe ich
die Bache erlegt, deren Fell jahrelang in deinem Kinderzimmer hing. Die
Frage, ob er sich die langen Stunden auf dem Hochsitz mit Onanieren
versüßte, verkneife ich mir. Soweit sind wir noch nicht.
Vor dem Schuss die Luft anhalten, nicht verkrampfen, aber auch nicht zu
locker gegen das Schlüsselbein drücken. Kurz spüre ich ein Gefühl der
Liebe gegenüber meinem Vater. Spüre kurz den 50er Jahre Bauernproll, der
auf Dorffesten säuft und sich prügelnd nicht an alle Regeln unserer
großen Nation hält. Der Abzug reagiert schneller als mein Bewusstsein,
Schuss. Kein Wunder, dass Vater Hörgeräte trägt, die er bei Bedarf und
das geschieht oft, einfach ausschaltet. Ein seltsam befriedigender
Schauer zieht durch meinen Körper. Fast so, als hätte man nach langen
Jahren routiniertem Sex mal wieder Geburtstag oder sonst einen Anlass,
der wildere Ereignisse erlaubt. Getroffen habe ich die Zielscheibe,
immerhin.
Nach kurzem Überlegen lasse ich den Gedanken fahren, meinen Vater zu
fragen, ob er mir die Flinte illegalerweise überlässt. Meiner
Argumentation, dass ich bezweifle durch den Rest meines Lebens zu
kommen, ohne mich mit solch einer Waffe, vor was auch immer, verteidigen
zu müssen, würde er ohnehin nicht folgen. Das Glück der frühen Geburt.
Kommentare
Mit Schrotflinten auf Tauben schießen. Ein Dorferlebnis. In fünf Akten. Fenster auf, Flinte hin. Taube anvisieren. Schuss. Taube weg.
04.02.2019, 15:51 von smillalotteToll, dass du hier wieder Texte veröffentlichst!
03.02.2019, 12:45 von GluecksaktivistinNur um zu Werben, aber danke.
03.02.2019, 12:50 von Patroklos"lach"
03.02.2019, 13:52 von GluecksaktivistinMeine Mutter hätte gesagt:"Buu, häddsd was Gescheids glernt, häddsd ned solche Brobleme" ;)
03.02.2019, 14:51 von Gluecksaktivistin